Rückblick: Ein Stück, das unter die Haut geht (Weiterstädter Wochenkurier v. 01.09.2021)
Tiefgreifende Unterhaltung bei einem Theaterstück am 28. August
Bericht: Dagmar Fecht-Schwarz
„Kirche hat eine Botschaft. Theater hat eine Botschaft. Es gibt Menschen, deren Herz für den Glauben schlägt und deren Talent auf die Bühne will.“ Dieses Motto des „Theater zum Einsteigen“ (TZE) wurde in der ELKG Weiterstadt (am 28.08.) mit äußerst talentierten Laienschauspielern unter der Leitung des professionellen Autors und Trainers Ewald Landgraf wieder einmal unter Beweis gestellt. Seit 2004 tourt er mit immer unterschiedlichen Akteuren aus verschiedenen Gemeinden innerhalb einer Region und gastiert in Landes- und Freikirchen. Der Eintrittspreis ist originell, da kostenlos. Jeder Zuschauer kann nach Spielende das geben, was ihm die Aufführung wert war.
Karlo (Ewald Landgraf) bietet dem verzweifelten Pastor Kay Sieder (Gerd Schaffert) Hilfe an (Foto: Dierk Schoen)
In dem Stück „Im Nebel so nah“ vermissen Pastor Kay Sieder (Gerd Schaffert) und seine Familie nach dem Einchecken im Hotel die zweite Tochter Svenja (Frauke Knöß). Das Personal (Frauke Knöß, Simone Härtel) scheint sich jedoch als mysteriöse Vereinigung zu entpuppen, die Kay, seine Frau Ute (Anke Schoen-König) und Tochter Jennifer (Kristin Puchtler) festhalten. Der verrückte Karlo (Ewald Landgraf) wird zum scheinbar Verbündeten und will mit ihnen fliehen. Aus dem Nichts taucht Dora (Helga Hohenfeld), eine frühere Kommilitonin des Pastors, auf und stellt Kays Glaube in Frage. Als dann auch noch die Schwägerin Anja (Ute Knaus), zu der die Familie ursprünglich unterwegs war, erscheint, ist die Verwirrung komplett. Denn Dora und Anja geben nicht die erhofften Antworten, sondern verweisen Kay immer wieder auf sich selbst, der dadurch fast verrückt wird. Er verliert nicht nur seine pastorale Ruhe, sondern auch seine bisherige Art zu glauben, die besagt, dass zuletzt immer alles gut wird.
Bei dem überraschenden Ende des Stücks, das die ganze Zeit über einen hohen Spannungsbogen hält, ist nichts mehr so, wie es war. Verlust und Hoffnung reichen sich die Hand. Die Vorstellungskraft von Kay Sieder löst die letzten Rätsel. Die Familie bleibt unvollständig – jedoch etwas, was größer ist als alles, bleibt: Glaube, Hoffnung und Liebe.
Das Stück überzeugt dadurch, dass es kein Lehrstück sein möchte, sondern mitten aus dem Leben gegriffen und mindestens so spannend ist wie der Tatort am Sonntag. Das Publikum war in den beiden coronakonformen Aufführungen tief ergriffen und schwankte zwischen Lachen und Weinen. Auf ein neues Stück aus der Feder von Ewald Landgraf darf man sich freuen.